Nachdem das Bundesgericht dazu grünes Licht gegeben hat, wurden
die Empfänger von Schmiergeldern in der Höhe
von 160 Millionen Franken an FIFA-Funktionäre durch die Staatsanwaltschaft Zug bekannt gegeben. Zwar vertritt die überwiegende Lehre (darunter Daniel Jositsch und Mark Pieth) die
Auffassung, dass die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe durch Private, selbst durch Funktionäre eines ökonomisch und politisch mächtigen privatrechtlichen Vereins wie die
FIFA, grundsätzlich nicht vom Korruptionsstrafrecht des
schweize-rischen StGB erfasst sei
(vgl. z.B. Fabian Steuri, Strafbarkeit und internationale Rechtshilfe in Korrup-tionsfällen - Unter
besonderer Berücksichtigung der Vergabe von Grossveranstaltungen durch internationale Sportverbände, Masterarbeit Universität St. Gallen, 2011, S. 37, 42). Dies ist jedoch aus kriminalpolitischen
Gründen (des Rechtsgüterschutzes und der Gleichbehandlung von strafwürdigem Verhalten) hoch problematisch und wird von diffusen wirtschafts-, standort-, sport- und fiskalpolitischen Motiven beeinflusst. Bei Olympiaden, Fussball-WM und -EM
usw. handelt es sich um politische, wirtschaftliche, soziale und sportkulturelle Grossanlässe von internationaler öffentlicher Bedeutung und Tragweite. Spitzenfunktionäre von IOC, FIFA, UEFA usw. haben enorme wirtschaftliche Macht und massiven politischen
Einfluss, vergleichbar nur mit
sehr hohen staatlichen Funktionären. Das IOC hat sogar Beobachterstatus bei der UNO. Es liesse sich durchaus die These vertreten, dass mit der Vergabe, Planung und Durchführung dieser
internationalen Grossanlässe (funktional und gesamtbetrachtend) eine staatliche Aufgabe wahrgenommen wird. Das in der Lehre eingebrachte Kriterium, für eine Anwendung des Korruptionsstrafrechts müsse zwangsläufig eine
offizielle Vergabe durch den
Staat an die privatrechtliche
Organisation erfolgen, erscheint künstlich bzw. als juristische "Hintertür". Das Kriterium lässt sich dogmatisch und mit der Teleologie des Korruptions-strafrechts jedenfalls nur schwer
begründen. Stossend sind denn auch diverse damit verbundenen Wider-sprüche, wonach die fraglichen Organisationen z.B. aus steuerrechtlicher Sicht privilegierten "öffentlichen Zwecken" dienen sollen, aus
strafrechtlicher Sicht hingegen nicht. Auch die
faktische Staatshaftung für die Veranstaltungskosten (Defizitgarantien usw.)
oder paradiplomatische
Privilegien sprechen für eine
staatliche Aufgabe. Die kriminalpolitisch unhaltbare Rechtslage ruft jedenfalls de lege ferenda nach rascher Korrektur.
Prof.
Dr. Marc Forster, 13. Juli 2012 ©