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Panama Papers: Strafrechtliche Fehleinschätzungen zur Rolle von Schweizer Anwälten und Treuhändern


In Medienberichten zu den "Panama Papers" wird behauptet, Schweizer Anwälte und Treuhänder dürften selbst Personen, gegen die international strafrechtlich ermittelt wird,
"helfen, schmutzige Vermögen zu verschieben und sich hinter Offshore-Vehikeln zu verstecken" (Tages-Anzeiger und Der Bund vom 6. April 2016, als "Fazit" je auf S. 3, s.a. online). Dies, weil nur Finanzintermediäre dem GwG unterstellt seien. Dieser Ansicht ist aus strafrechtlicher Warte zu widersprechen:

Zwar stimmt es, dass nur Finanzintermediäre (wie z.B. Banken) dem GwG direkt unterstellt sind. Auch der Straftatbestand der mangelnden Sorgfalt (oder der Verletzung von Meldepflichten) bei Finanzgeschäften (Art. 305ter StGB) ist nur auf Finanz-intermediäre anwendbar (zur Bankencompliance s. Tamara Taube, Entstehung, Bedeutung und Umfang der Sorgfalts-pflichten der Schweizer Banken bei der Geldwäscherei-prävention im Bankenalltag, Diss. SG 2013, pdf).
Nicht einfach
übersehen werden darf dabei zunächst jedoch Art. 305bis Ziff. 1 i.V.m. Art. 25 StGB: Der  Gehilfenschaft zu Geldwäscherei macht sich strafbar, wer einen kausalen Tatbeitrag zu Handlungen liefert, die geeignet sind, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren. Anwälte oder Treuhänder, die entsprechende logistische Vorkehren treffen, z.B. helfen, Tarnfirmen zu gründen, Strohmänner einzusetzen, Konten zu eröffnen oder hohe Bargeldsummen zu transferieren usw., obwohl sie konkrete Hinweise auf einen entsprechenden deliktischen Hintergrund haben, können sich grundsätzlich strafbar machen. Die  Bestechung von Amtsträgern zum Beispiel ist in der Schweiz schon seit langem ein Verbrechen (Art. 322ter-322octies StGB). Auch qualifizierte Steuer-vergehen (Art. 305bis Ziff. 1 und 1bis StGB) gelten jedenfalls seit dem 1. Januar 2016 als Vortaten der Geldwäscherei.

Falsch wäre sodann die Auffassung, Anwälte könnten sich im Bereich ihrer sogenannten akzessorischen Geschäftstätigkeit (z.B. Verwaltungsratsmandate, Vermögensverwaltung, Inkassomandate usw.) auf ihr Berufsgeheimnis (Anwaltsgeheimnis) berufen. Es gibt Fälle, bei denen Anwälte selbst als Finanzintermediäre akzessorisch tätig sind. Diese sind gesetzlich verpflichtet, Geldwäschereiverdachtsfälle zu melden (Art. 9 Abs. 1 GwG) und sich einer Selbstregulierungsorganisation anzuschliessen (Art. 14 Abs. 3 GwG; BGE 132 II 103 E. 2.2 S. 105 f.). Auch fallen sie unter die Strafdrohung nach Art. 305ter StGB. Dies betrifft Anwälte, welche berufsmässig fremde Vermögenswerte annehmen oder aufbewahren oder helfen, sie anzulegen oder zu übertragen (Art. 2 Abs. 3 GwG).

Geldwäschereiverdacht (i.S.v. Art. 305bis Ziff. 1 StGB und Art. 27 Ziff. 1 lit. c und e GwUe) kann insbesondere vorliegen, wenn eine auffällige Verknüpfung geldwäschetypischer Vorkehren besteht. Dies ist etwa der Fall, wenn hohe Geldbeträge über komplexe Kontenbewegungen unter zahlreichen involvierten Personen und Firmen in verschiedenen Ländern, darunter typischerweise sogenannte "Offshore"-Gesellschaften, verschoben wurden und für diese komplizierten Transaktionen kein wirtschaftlicher Grund ersichtlich ist. Auch ungewöhnliche Transaktionen mit hohen Bargeldbeträgen sind verdächtig oder Finanztransaktionen im konkreten Umfeld von massiven Korruptionsfällen (vgl. dazu  M. Forster, in: Basler Kommentar Internationales Strafrecht, 2015, Art. 27 GwUe N. 9; derselbe, Internationale Rechtshilfe bei Geldwäschereiverdacht, ZStrR 2006, S. 274–294).

Prof. Dr. Marc Forster / 6. April 2016